Dienstag, 22. Dezember 2009

Mit dem Elektroauto zur Arbeit

Artikelserie "Wie Verdener die Umwelt schützen" in den Verdener Nachrichten, von Johannes Heeg
"Verden. Bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wurde viel geredet. Weil Klimaschutz aber ohne Taten nicht funktioniert, haben wir uns in der Region umgesehen und mit Menschen gesprochen, die etwas in diesem Sinne tun. Das Thema heute: Mobilität.

Hermann Meyer ist begeisterter Fahrradfahrer. Jeden Morgen fährt er von seinem Wohnort Kirchlinteln mit dem Rad acht Kilometer nach Verden und steigt dort in den Zug nach Bremen. Für sein Fahrrad hat sich der 56-jährige Pendler eine abschließbare Box am Bahnhof gemietet, gegen Wind und Wetter wappnet er sich mit hochwertigen Regensachen. 'So wild ist das mit dem Regen aber gar nicht', meint Meyer. 'Von den 230 Arbeitstagen im Jahr regnet es im Durchschnitt an zehn Tagen', meint er.

Dass er nicht das Auto nimmt, begründet er so: 'Erstens hat die Fahrerei nach Bremen durch den zunehmenden Verkehr immer länger gedauert, zweitens wurde das Parkhaus immer teurer'. Drittens spiele der Klimaschutz eine Rolle, stoße ein Auto doch pro gefahrenen Kilometer 200 Gramm CO2 aus. Er erspare der Umwelt also jedes Jahr 3680 Kilogramm des Klimakiller-Gases, die Fahrt mit dem Zug nicht mitgerechnet. Viertens nennt er die Gesundheit: Seit er 1991 aufs Rad umgestiegen ist, sei seine Rückenmuskulatur stärker und seine allgemeine Fitness besser geworden. 'Ich bin viel widerstandsfähiger und so gut wie nie krank.'

Dank seines neuen Gazelle-Fahrrads genieße er jeden Kilometer, und die jeweils 25 Minuten im Zug morgens und abends nutze er zum Zeitung lesen. Weil gutes Sehen und gesehen werden wichtig sei, habe er sein Rad mit Nabendynamo und einem LED-Scheinwerfer der neuesten Generation ausgerüstet. 'Das Licht funktioniert bei jedem Wetter und ist grandios hell', freut er sich. Ebenfalls erfreulich findet er: 'Seit der Einführung der Entfernungspauschale sind Rad- und Zugfahrer steuerlich nicht mehr gegenüber Autofahrern benachteiligt.'

Vor einigen Jahren hat sich Meyer auf ein recht ungewöhnliches Experiment eingelasen. '1992 und 1993 hatten wir gar kein Auto, und das mit drei schulpflichtigen Kindern', erzählt er. 'Damals gab es noch ein gut funktionierendes Anruf-Sammeltaxi, mit dem unsere Kinder nach Verden kommen konnten, und eingekauft haben wir im Ort mit einem Fahrradanhänger', so Meyer.

Und wenn die Familie mal ein Auto gebraucht habe, was vier bis fünf Mal im Jahr der Fall war, 'dann haben wir uns von Bekannten eins geliehen. Denen haben wir ein Kilometergeld von 50 Pfennig bezahlt', berichtet er. Weil es seiner Frau dann doch zu unbequem wurde ohne Auto, haben Meyers dann wieder ein Vehikel angeschafft. 'Wenn man genau rechnet, kostet das im Monat 400 Euro und steht dabei die meiste Zeit nur herum', so Meyer.

Da Meyers immer mit der Bahn in Urlaub fahren, ist die Fahrleistung des eigenen Autos mit 7000 Kilometern jährlich nicht sehr hoch. Dass sie nicht fliegen, liege zwar hauptsächlich an seiner Flugangst, verbessere aber trotzdem die persönliche Ökobilanz der Familie.

Wenn Ulrich Steinmeyer nicht gerade Fahrrad fährt, steigt er in eines seiner beiden Elektroautos - den einzigen im Kreis Verden. Beide haben weder eine Gangschaltung noch einen Auspuff, sie stinken nicht und machen keinen Lärm.

Sie beschleunigen so flott wie die meisten anderen Autos, allerdings nur bis Tempo 95. Dann ist Schluss, schneller werden der Citroen Saxo und der Renault Rapid nicht. Dafür verbraucht der fünfsitzige E-Saxo auch nur umgerechnet 1,7 Liter Sprit - macht etwa zwei Euro auf 100 Kilometer. Der schwerere und kantigere Rapid, den der Baustoffhändler als Lieferwagen nutzt, braucht etwas mehr Strom, umgerechnet bis zu 2,4 Liter Benzin.

Den Strom produziert Steinmeyer praktischerweise selbst, betreibt er doch ein Blockheizkraftwerk, das mit Rapsöl befeuert wird, einem klimaneutralen, nachwachsenden Rohstoff. Einen Teil dieses Ökostroms nutzt Steinmeyer für die automobile Fortbewegung. Früher habe er sich oft über den hohen Verbrauch seines Kombis geärgert. 'Acht Liter auf 100 Kilometer, das machte immer so um die 1000 Liter im Jahr.

Das war mehr, als ich insgesamt für Wärme und Strom in meinem Passivhaus benötige.' Schuld an der schlechten Energiebilanz herkömmlicher Autos sei das Konstruktionsprinzip: 'Mehr als zwei Drittel der Energie eines Verbrennungsmotors werden beim Auto über den Kühler in die Umwelt geblasen.

Der Energiegehalt eines Liters Diesel oder Benzin wird also zu nur etwa 30 Prozent genutzt.' Deutlich effektiver seien da Elektromotoren. 'Die bringen fast 100 Prozent der eingesetzten Energie auf die Straße', sagt Steinmeyer. Seit er Elektro-Autos fährt, verblüfft er interessierte Gesprächspartner gerne mit diesem Spruch: 'Mit der Abwärme meines Autos heize ich mein Haus.' Steinmeyer erklärt das so: 'Der Saxo verbraucht bei 10000 Kilometer Fahrleistung im Jahr etwa 1800 Kilowattstunden Strom. Die 2500 Kilowattstunden für die Heizung meines Wohnhauses entsprechen etwa der Energie, die mein altes Auto über den Kühler vernichtet hat.'

Steinmeyer verschweigt nicht die Nachteile seines Öko-Gefährts: 'Die Höchstgeschwindigkeit von 95 Kilometern pro Stunde reicht zwar zum Mitschwimmen auf der Autobahn, aber die Reichweite von maximal 120 Kilometern ist doch arg begrenzt.' Elektroautos seien vor allem Nahverkehrsautos, die für den Stadtverkehr sehr gut geeignet seien. Die Akkus nachzuladen dauert drei bis sieben Stunden, wobei die Nickel-Cadmium-Batterien etwa 1500 Ladezyklen vertragen. Danach müssen sie ausgetauscht werden, was ins Geld geht: Ein gebrauchter Akkusatz ist für 6000 bis 8000 Euro zu haben, ein fabrikneuer kostet 14000 Euro.

Ein gravierendes Problem sei auch der Service. 'Der ist grottig', so Steinmeyer. An den elektrischen Antrieb und die Ladeelektronik traue sich keine Autowerkstatt heran. Allerdings erledigt Steinmeyer typische Wartungsarbeiten wie das Auswechseln der Kohlebürsten am Elektromotor selbst. 'Die Autos sind ziemlich robust und haben weniger Verschleiß', meint er. Bei speziellen Problemen suche er sich Antworten in einschlägigen Internetforen."

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