Mittwoch, 23. Dezember 2009

Fahrrad als Alternative zum Autoverkehr

Artikelserie "Verdener engagieren sich für den Umweltschutz" in den Verdener Nachrichten, von Johannes Heeg

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Verden. Bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wurde viel geredet. Weil Klimaschutz aber ohne Taten nicht funktioniert, haben wir uns in der Region umgesehen und mit Menschen gesprochen, die etwas in diesem Sinne tun. Das Thema heute: Fahrräder.

Carl Christian von Hagens ist noch nie selbst Auto gefahren. Notgedrungen, denn mit 17 hatte der heute 53-jährige Verdener einen so schweren Autounfall, dass er keinen Führerschein machen konnte. Weil er auf den Drahtesel angewiesen ist, sinnt von Hagens ständig über die Optimierung des Fortbewegungsmittels nach. In Verden und umzu erregt er seit Jahren mit einem roten Fahrrad-Viersitzer Aufsehen. Das Besondere an dem Gefährt, das er 'Fahr4Rad' oder auch 'Prima-Klima-Mobil' nennt und das ein bisschen aussieht wie eine Fahrrad-Rikscha: Es handelt sich um ein Doppeltandem, das mit wenigen Handgriffen getrennt werden kann.

Von Hagens hat es in Langwedel von einem Kfz-Meister aus zwei Tandems zusammenbauen lassen. Fürs Zerlegen in zwei Einzel-Tandems braucht der Tüftler etwa 15 Minuten. Gute 10000 Euro habe er insgesamt investiert, berichtet von Hagens, der von der modernen Ausstattung schwärmt: 'Da ist eine 14-Gang-Nabenschaltung drin, die viel verschleißärmer arbeitet als eine Kettenschaltung.' Zudem sind pro Tandem zwei hydraulische Scheibenbremsen verbaut, und die Lampen werden von Nabendynamos mit Strom versorgt. Ganz neu ist das abnehmbare Verdeck, mit dem er den Widrigkeiten des Winters trotzt.

Sein auch als Lastenträger nutzbares Fahrzeug sei flexibel einsetzbar und ermögliche zügiges Fortkommen, ohne dass der Fahrspaß auf der Strecke bleibe. Das Gefährt mit seinen je zwei Liegeradsesseln und Fahrradsitzen ist mit zwei mal 225 Kilogramm belastbar und passe in die Aufzüge und Wagen der Bahn, erzählt von Hagens. Für die Mitnahme im Zug sei nur eine Rad-Fahrkarte nötig. Mehrere tausend Kilometer ist von Hagens mit seinem Fahr4Rad im Jahr unterwegs. 'Fahrrad fahren gehört zu den einfachen Dingen, mit denen jeder dazu beitragen kann, die Umwelt zu schonen und das Gesundheitssystem zu entlasten', meint von Hagens, der zu dem Thema kürzlich auch ein Buch veröffentlicht hat.

Ältere Menschen, die trotz nachlassender Kräfte noch Rad fahren möchten, greifen zunehmend nach Fahrrädern mit eingebautem Rückenwind. 15 bis 20 Elektro-Bikes, deren Motoren die Muskelkraft der Radfahrer unterstützen, verkauft allein das Verdener Fahrradgeschäft Unruh in der Predigerstraße im Jahr. 'Die kleinen Elektromotoren sitzen in der Vorderradnabe oder im Tretlager, und die Lithium-Akkus ermöglichen eine Reichweite von bis zu 80 Kilometer', so Inhaber Holger Staubes. Kunden seien vielfach Menschen, die nach Knie-, Hüft- oder Herzoperationen auch ohne Auto mobil bleiben und sich bewegen wollten. Je nach Ausführung schaltet sich der Motor der sogenannten 'Pedelecs' leise surrend ein, solange die Pedalen getreten werden. Manche Modelle haben einen Drehgriff zum 'Gas geben'. Urlaub in den Bergen oder Touren an der Küste bei Gegenwind seien dann kein Problem mehr, so Staubes.

Was der Fahrradhändler nicht versteht: 'Die Bundesregierung senkt die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen, nicht aber für das umweltfreundliche und gesundheitsfördernde Fahrrad. Das ist ungerecht.'

Das findet auch der Verdener Ratsherr Ulrich Steinmeyer, der daher jetzt einen 'Antrag für eine sozial-ökologische Verkehrspolitik' eingebracht hat, der nächstes Jahr im Fachausschuss beraten wird. Radverkehrsbelange müssten bei der 'Innenstadtumgestaltung' berücksichtigt werden, für das Fahrradparkhaus, das meist halbleer stehe, müsse eine neue Konzeption her, Fahrradmitnahme in Bussen und Bahnen müsse kostenlos sein. Steinmeyer fordert zudem Anschaffungszuschüsse für Fahrradanhänger, Pedelecs und Elektroroller. Die Stadt Verden solle beim Kauf von Fahrradanhängern je 200 Euro dazugeben und je 400 Euro pro Pedelec oder Elektroroller. 'Der Zuschuss soll dazu dienen, die Notwendigkeit des Autoverkehrs zu vermindern', so Steinmeyer."

Finanzieren will er dieses Programm, das zu einer Entlastung der Umwelt und Verringerung der CO2-Emissionen führen werde, durch Einsparungen beim Parkplatzbau. 'Ein Parkplatz kostet etwa 7000 Euro. Dafür ließen sich 35 Fahrradanhänger fördern', rechnet Steinmeyer vor. Sein Fahrrad-Förderprogramm wäre durch eine Einsparung von nur sechs Parkplätzen zu finanzieren. Was kein Problem sei, da der Autoverkehr in den nächsten Jahren durch steigende Spritpreise massiv unter Druck geraten werde. 'Ein rechtzeitiges Anreizprogramm könnte wertvolle Hilfe leisten, mit diesem Wandel sozial verträglich und ökologisch sinnvoll umzugehen', meint er. Man müsse auch an die Menschen denken, die lieber Alternativen zum Auto nutzen wollen. Diese müssten bezahlbar und attraktiv sein.

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