Montag, 21. Dezember 2009

In jeder Minute ein Kubikmeter Holz mehr

Klimaschutzserie im Landkreis Verden in den Verdener Nachrichten, von Johannes Heeg

"Verden. Bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wurde viel geredet. Weil Klimaschutz aber ohne Taten nicht funktioniert, haben wir uns in der Region umgesehen und mit Menschen gesprochen, die etwas in diesem Sinne tun. Das Thema heute: Heizungsanlagen.

Heizöl und Erdgas braucht Ulrich Steinmeyer schon lange nicht mehr, um sein Haus zu beheizen und warmes Wasser zu bereiten. Zusammen mit neun weiteren Häusern in der Gemeinschaftssiedlung Neumühlen in Verden ist seine Doppelhaushälfte an ein zentrales Blockheizkraftwerk angeschlossen, das mit einem nachwachsenden Rohstoff befeuert wird: mit Rapsöl.

Mit dieser umweltfreundlichen Technik sind die 30 Bewohner der Gemeinschaftssiedlung Vorreiter im Landkreis Verden, andere Rapsöl betriebene Blockheizkraftwerke gibt es in der Region noch nicht. Steinmeyer zur Umweltfreundlichkeit der Anlage: 'Durch die Verbrennung des Pflanzenöls wird nur das Kohlendioxid frei, das die Pflanze zuvor gebunden hat. Auch werden Umwelt belastende Erdöltransporte über den halben Erdball vermieden.'

Die moderne Technik schont zudem das Portemonnaie der Bewohner. Außer Wärme wird nämlich auch Öko-Strom erzeugt, der an die Stadtwerke Verden verkauft wird. Da sich aus einem Liter Rapsöl, der derzeit für 65 Cent erhältlich ist, drei Kilowattstunden Strom produzieren lassen, kostet die zusätzlich entstehende Wärme so gut wie gar nichts. 'Die gut sechs Kilowattstunden Wärme, die wir aus einem Liter Rapsöl herausholen, gibt?s fast umsonst dazu', freut sich Steinmeyer. Rund 12000 Liter Öl werden pro Jahr verbrannt, was 36000 Kilowattstunden Strom ergibt.

Trotz der Investitionskosten von rund 70000 Euro - 40000 davon fürs Blockheizkraftwerk und 30000 für die Tanks und das Gebäude - fallen die Heizungsrechnungen sehr niedrig aus, weil alle angeschlossenen Häuser konsequent nach Süden ausgerichtet und gut bis sehr gut wärmegedämmt sind. Steinmeyer, der ein so genanntes Passivhaus bewohnt, braucht für seine Haushälfte nur rund 200 Liter Rapsöl im Jahr für die Heizung, das sind jährlich etwa ein bis eineinhalb Liter pro Quadratmeter. Hinzu komme der Verbrauch fürs Warmwasser.

Die Anlage laufe mittlerweile recht zuverlässig. Nach anfänglichen Problemen seien die Wartungsintervalle deutlich verkürzt worden: 'Wir machen jetzt mit jeder neuen Öllieferung, also drei mal im Jahr, eine größere Wartung mit Filterreinigung und Düsenwechsel', so Steinmeyer. Seitdem laufe das BHKW fast störungsfrei.

Ob er heute noch mal Rapsöl als Brennstoff wählen würde, weiß er indes nicht so genau. 'Pflanzenöle sind sehr hochwertige Produkte, die auch mit viel Aufwand erzeugt werden müssen', sagt er. Außerdem bestehe die Gefahr, dass ihr Anbau Nahrungsmittelpflanzen weltweit verdränge oder Urwälder zerstöre, so wie das beim Palmöl in Indonesien der Fall sei. In der Kombination mit Strom- und Wärmeerzeugung sei ein Rapsöl-BHKW allerdings immer noch deutlich positiv zu bewerten.

Im Verdener Stadtkirchenzentrum sorgen zwei grün lackierte 'Dachse' für Wärme und Strom. So nennt der Hersteller seine Blockheizkraftwerke, die in diesem Fall mit Erdgas betrieben werden. 'Das hat uns der Energieberater 2003 vorgeschlagen, nachdem die alte Heizung den Abgastest nicht mehr bestanden hat', sagt Diakonin Kerstin Dierolf. Der Hersteller habe für das 70-er-Jahre-Gebäude mit seinen 983 Quadratmetern Nutzfläche eine Energiekostenersparnis von 47,5 Prozent und eine CO2-Minderung von 68 Prozent prognostiziert. 'Wir wollten konkret was tun zur Bewahrung der Schöpfung und nicht nur predigen', so Dierolf. Die Anlage funktioniere zuverlässig. Da die Dachse Strom erzeugen, der ins Netz eingespeist wird - 2008 waren das 30278 Kilowattstunden - laufe der Stromzähler oft rückwärts. 'Das war am Anfang schon ein bisschen seltsam', so Dierolf. Der Stromverkauf habe 2008 immerhin 3246 Euro eingebracht.

Rund 12000 Liter Heizöl im Jahr ersetzt Rathje Clasen jedes Jahr, seit er 2006 seine Heizung komplett auf Biomasse umgestellt hat. Der Landwirt aus Neddenaverbergen hat sein altes Backhaus zur Heizzentrale aufgerüstet, die mit Holzhackschnitzeln betrieben wird. Damit versorgt er sein altes Bauernhaus mit Heizungswärme und Warmwasser, außerdem die Wohnung seiner Eltern und - mit Hilfe einer 40 Meter langen Nahwärmeleitung - das Haus seines Onkels. Da in beiden Häusern die Erneuerung der Heizung anstand und Brennholz in Hülle und Fülle zur Verfügung steht, stand für Clasen schnell fest: 'Wir machen was mit Holz.'

150 bis 180 Kubikmeter Holzschnitzel aus dem eigenen Wald verbrennt er in seiner Holzheizung aus Finnland, die mit den Leitungen und allem Drum und Dran rund 35000 Euro gekostet hat. Die Anlage arbeitet vollautomatisch: 'Der sechs Kubikmeter große Vorratsbehälter für die Schnitzel muss, je nach Wärmebedarf, alle vier bis 14 Tage nachgefüllt werden', so Clasen.

Die Mehrkosten von 20000 Euro im Vergleich zu einer konventionellen Heizung werde er in vier bis fünf Jahren wieder heraus haben, so Clasen. Sofort eingestellt hätten sich aber andere Effekte: 'Wir heizen klimaneutral, weil bei der Verbrennung von Holz nur das CO2 freigesetzt wird, das die Pflanze in ihrem Leben gespeichert hat. Und wir betreiben Wertschöpfung in der Region', sagt Clasen. Das Holz wachse auf seinem Hof und müsse nicht um die halbe Welt transportiert werden. Und dem Wald bekomme es ausgesprochen gut, wenn er von Zeit zu Zeit ausgelichtet werde.

Wie zuverlässig automatische Biomasse- Heizungsanlagen funktionieren, zeigt Cord Ehlers, Geschäftsführer des Heizungsbaubetriebs Ehlers & Otten in Holtum-Geest, gerne anhand seiner eigenen Biomasseheizung: 'Wir heizen bei uns mit einer 120-Kilowatt-Anlage rund 2000 Quadratmeter. Damit verbinden wir Klimaschutz mit regionaler Wertschöpfung.' Davon profitierten schon zahlreiche Kunden. 150 große Holzhackschnitzelheizungen habe sein Betrieb bislang verkauft und eingebaut. Die hätten bis jetzt Brennstoff im Wert von 500000 Euro verbraucht. Die gleiche Energiemenge in Heizöl hätte die Heizungsbetreiber hingegen zwei Millionen Euro gekostet. 'Und es wären 60000 Tonnen CO2 in die Luft geblasen worden', so Ehlers.

Mittlerweile täten sich immer mehr Besitzer von Einfamilienhäusern zusammen, um Gemeinschaftsheizungen zu betreiben. Allein sein Betrieb habe bislang 15 solcher Anlagen installiert, die fünf bis sieben Häuser oder Wohnungen versorgten. Betrieben würden sie mit Holzkesseln oder Biogasanlagen. 'Zurzeit sind die Förderbedingungen für Heizungen gut, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden', so Ehlers. So gebe es für Nahwärmeleitungen Zuschüsse von bis zu 80 Euro je Meter, und für Hausanschlüsse gebe der Staat bis zu 1800 Euro dazu. 'Das deckt einen Großteil der Kosten und macht die Sache wirtschaftlich', betont Ehlers. Außerdem seien zinsgünstige Kredite verfügbar.

Gute Erfahrungen mit ihrer Holzheizung haben die Verdener Stadtwerke gemacht. Ihr als EXPO-Projekt 1998 in Betrieb genommenes Holzheizwerk liefert Wärme für die Gebäude der Kreisverwaltung, die Schule am Lönsweg, einen Autohändler, einen Supermarkt, das Ökozentrum sowie für das Verwell-Schwimmbad. 'Allein die 20000 Quadratmeter Bürofläche des Landkreises haben einen Wärmebedarf, der dem Verbrauch von 600 Haushalten entspricht', rechnet der Technische Leiter Rainer Heitmann vor.

Erzeugt wird die Energie - jedes Jahr rund 7500 Megawattstunden - von zwei Holzheizkessel mit je 1000 Kilowatt Leistung und einem 1200-Kilowatt-Gasheizkessel, der bei Spitzenlasten oder Störungen anspringt. Die Hälfte des Brennmaterials sei Schwachholz aus der regionalen Forstwirtschaft, die andere Hälfte liefere eine Deponie in Beppen, die unbehandeltes Holz von Paletten und weitere Abfallhölzer zu Hackschnitzeln verarbeitet. 'Die Asche geht nach einer Untersuchung auf Schadstoffe als mineralischer Dünger in den Wald und in die Landwirtschaft', so Heitmann, 'das ist also ein gesunder Kreislauf.' Die Anlage trage zur Vermeidung von jährlich 2000 Tonnen CO2 bei.

Ein großer Freund der Wärmeerzeugung durch Holzheizungen ist Heinrich Luttmann. Kein Wunder, der Mann ist Holzlobbyist mit Leib und Seele - als Geschäftsführer der Waldconsulting Hohe Heide GmbH, die das Holz von 3000 privaten Waldbesitzern in vier Landkreisen vermarktet. Auf deren 50000 Hektar Wald fallen jedes Jahr rund 50000 Tonnen Energieholz an, also Kronen und sonstiges schwer verwertbares Restholz. Ein Großteil davon verrotte ungenutzt oder werde, wie der private Strauchschnitt, teuer entsorgt.

Gut 8000 Tonnen Gartenabfälle seiner Bürger bringt der Landkreis Verden jedes Jahr zur Kompostieranlage nach Beppen. Laut Luttmann könnte man mindestens 6000 Tonnen davon sinnvoller verwerten als zu kompostieren: 'Baum- und Strauchschnitt sollte man verbrennen, um daraus Energie zu gewinnen.' Angesichts der explodierenden Preise für Öl und Gas werde dies immer rentabler. Luttmann schwebt neben mehreren kleinen ein großes mit Holz befeuertes Kraftwerk mit einer thermischen Leistung von 20 Megawatt vor, das nicht nur zehnmal so stark ist wie das Heizkraftwerk der Verdener Stadtwerke, sondern auch gleichzeitig noch Strom erzeugt. 'Das erhöht die Wirtschaftlichkeit natürlich', so Luttmann, der auf ein 2005 in Betrieb gegangenes Holzheizkraftwerk der Stadtwerke Oerlinghausen in Nordrhein-Westfalen verweist.

Dieses rund vier Millionen Euro teure Kraftwerk arbeitet nach dem so genannten Organic-Rankine-Prozess, den der britische Physiker und Ingenieur William Rankine bereits im 19. Jahrhundert für Wärmekraftmaschinen beschrieben hat. Die in der Feuerungsanlage frei werdende Wärme wird an eine Stromerzeugungseinheit übertragen. Die Umwandlung der thermischen Energie in Strom erfolgt über eine Turbine. Als Brennstoff diene nur naturbelassenes Holz, so Luttmann. 'Es entsteht nicht mehr CO2 als ohnehin beim Verrotten des Holzes im Wald, die Verbrennung ist also schadstoffarm', betont Luttmann.

Benötigt würden rund 50000 Kubikmeter Holz jährlich. Laut Luttmann könnte man allein mit dem Restholz, das im Bereich der Waldconsulting verfügbar ist, jährlich rund 100000 Megawattstunden (oder umgerechnet 100 Millionen Kilowattstunden) Wärme erzeugen. Damit könnten theoretisch 5000 Einfamilienhäuser mit einem Durchschnittsverbrauch von je 20000 Kilowattstunden im Jahr umweltfreundlich und nachhaltig beheizt werden. Denn in der Region wachse stets mehr Holz nach als entnommen werde. 'Wir sind mit Investoren im Gespräch', so Luttmann. Im Verdener Bereich würde er gerne mit den Stadtwerken Verden zusammenarbeiten. 'Wenn wir die Wirtschaftskraft der Region stärken wollen, müssen wir verstärkt auf heimische Energiequellen setzen', sagt Luttmann.

Dass ihm das Holz ausgehen könnte, glaubt er nicht. In jeder Minute wachse in den Wäldern der Holzconsulting ein Kubikmeter Holz nach."

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